Sprachentwicklungsstörungen

Was ist eine Sprachentwicklungsstörung?


Von einer Sprachentwicklungsstörung (SES) spricht man bei zeitlichen und inhaltlichen Abweichungen von der normalen Sprachentwicklung im Kindesalter. Diese können isoliert oder im Zusammenhang mit anderen Entwicklungsstörungen auftreten. Wenn der sprachliche Rückstand zwischen 6 bis 12 Monaten liegt, geht man von einer SES aus. Dabei können die Abweichungen im Bereich der Sprachentdeckung, des Wortschatzes, des Sprachverstehens, der Aussprache, der grammatikalischen Entwicklung, des sinnzusammenhängenden Erzählens und/ oder in der allgemeinen Kommunikationsfähigkeit liegen. Dies spiegelt sich in allen Bereichen des Sprechens oder Verstehens, in kommunikativen Situationen und auch im Schriftspracherwerb wieder.

Welche Ursachen gibt es?

Die Ursachen einer Sprachentwicklungsstörung sind sehr verschieden. Oft liegen mehrere Ursachen vor, die auch nicht immer eindeutig ermittelt werden können. Meist sind auch nicht-sprachliche Entwicklungsbereiche mit betroffen. Mögliche Faktoren können organisch, medizinisch, neurologisch, genetisch oder im psychischen, soziokulturellen und/oder umweltbedingten Bereich sein. Beispiele dafür sind:

  • Allgemeine Entwicklungsstörungen
  • Hörstörungen
  • Erkrankung der Sprechorgane (z.B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalte)
  • Frühkindliche Hirnschädigungen
  • Hirnreifestörungen
  • genetisch bedingte Krankheiten (z.B. Down Syndrom)
  • mangelnde Sprachanregung, Mehrsprachigkeit
  • Reizüberflutung, übermäßiger Mediengebrauch
  • Trennung der Eltern, Geschwisterrivalität

Wie äußert sich eine Sprachentwicklungsstörung?


Störung des Wortschatzes und des Sprachverständnisses (Lexikon/ Semantik)

Hier hat das Kind Probleme beim Erwerb des Wortschatzes. Dies äußert sich entweder im mangelnden Sprachverständnis für die Wortbedeutung (passiver Wortschatz) oder in der Wortproduktion (aktiver Wortschatz). Wortschatzdefizite im Kleinkindalter liegen vor, wenn mit 2 Jahren noch keine 50 Wörter aktiv verwendet werden, man spricht auch von sogenannten „Late Talkern“. Die explosionsartige Wortschatzerweiterung hat nicht stattgefunden. Auch beginnen die Kinder nicht, Wörter zu Zwei- und Mehrwortäußerungen zu kombinieren. Hier hat das Kind, die Funktion der Sprache, Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken, noch nicht erfasst. Bei Kindern im Kindergarten- oder Schulalter äußert sich eine Störung darin, dass viele Wörter nicht ausreichend verstanden und neue Wörter nur sehr langsam erlernt werden. Häufig setzten diese Kinder dann kompensatorisch Gestik und Mimik ein und verwenden unspezifische Wörter wie „das da“ oder viele Oberbegriffe. Die Bedeutung der Worte und Sätze können sie sich oft nur aus situativen Zusammenhängen erschließen.

Bei einer Sprachverständnisstörung erfasst das Kind die Bedeutung der Wörter nicht oder nicht ausreichend. Dies macht sich bemerkbar, wenn das Kind Anweisungen, Sätze oder Gespräche nicht versteht, meist zeigt sich dies auch durch einen mangelnder Blickkontakt. Mit einer Störung des Sprachverständnisses geht auch immer eine Beeinträchtigung der aktiven Sprachentwicklung einher.

Störung der Wortfindung

Im Gegensatz zu Wortschatzdefiziten, beherrscht hier das Kind ein bestimmtes Wort, jedoch steht es ihm in seiner aktuellen Situation, wie einem Gespräch, nicht zur Verfügung. Es liegt ihm „auf der Zunge“, aber das Kind ist nicht in der Lage, auf das Wort zuzugreifen. So bricht es meist im Satz ab oder verwendet Ersatzstrategien. Die Ursachen liegen hierbei nicht im Wortschatzerwerb, sondern in der Abspeicherung und Verknüpfung im Gehirn oder im Bereich der Konzentration.

Störung des Lautsystems (Phonologie)

Bei einer phonologischen Störung hat das Kind die Laute oder die Regeln zu ihrer Verwendung nur unvollständig oder fehlerhaft erworben. Dies spiegelt sich in einer fehlerhaften Aussprache der Wörter wieder (z.B. „Bume“ statt „Blume“, „Tinderdarten“ statt „Kindergarten“ usw.) Das Kind hat die bedeutungsunterscheidende Funktion der Laute noch nicht erfasst, dies zeigt sich in Lautvertauschungen, -ersetzungen oder –auslassungen. Dem Kind ist z.B. nicht klar, dass „Tanne“ und „Kanne“ zwei verschiedene Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung sind, die sich nur durch den richtigen Einsatz von /t/ und /k/ unterscheiden lassen.

Störung der Grammatik (Morphologie /Syntax)

Von einem sogenannten „Dysgrammatismus“ spricht man, wenn das Kind das grammatikalische Regelsystem seiner Muttersprache noch nicht vollständig verinnerlicht hat. Dies kann sehr vielfältige Symptome mit sich bringen, wie z.B. Auslassungen von Funktionswörtern und Satzteilen, Vertauschen von Satzgliedern, Probleme in der Plural- und Kasusbildung, falsche oder fehlende Verbflexion, fehlende Angleichung des Verbs auf das Subjekt (Subjekt-Verb-Kongruenz) und Schwierigkeiten bei der Bildung von Nebensätzen.

Pragmatisch-kommunikative Störung

Hierbei handelt es sich um eine Störung des sinnzusammenhängenden Erzählens und damit der allgemeinen Kommunikationsfähigkeit. Die betroffenen Kinder können keine zusammenhängenden Sätze und Geschichten verstehen oder selbstständig erzählen. Auch Erlebnisse oder Zusammenhänge strukturiert zu schildern, ist dem Kind nicht möglich. Häufig können Zuhörer den Ausführungen des Kindes nicht folgen und es treten Missverständnisse auf. Eine Störung der pragmatischen Fähigkeiten erkennt man u.a. am geringen Blickkontakt, wenig Aufmerksamkeit und Vermeiden von Gesprächen, häufiges Nachsprechen (Echolalien), gering ausgeprägte Gestik und Mimik. Außerdem fehlt es den Kindern meist an der Fähigkeit zum Perspektivwechsel, sie können sich nicht in das Gegenüber hineinversetzen.

Mutismus

Der Mutismus ist eine Sonderform der Sprachentwicklungsstörung. Es handelt sich um eine Kommunikationsstörung, ein sogenanntes psychogenes Schweigen. Das Kind ist sowohl geistig als auch körperlich in der Lage zu sprechen, jedoch schweigt es entweder gegenüber bestimmten Menschen oder in bestimmten Situationen (selektiver Mutimus) oder es kann in keiner Situation mit seinen Mitmenschen sprechen (totaler Mutismus) beispielsweise nach einem schwereren traumatischen Erlebnis. Beim selektiven Mutismus spricht das Kind meist ganz normal in vertrauter Umgebung, wie dem häuslichen Umfeld, oder mit vertrauten Personen, wie den Eltern, kann aber außerhalb dieser bestimmten Situation nicht mit anderen verbal in Kontakt treten. Es handelt sich hier niemals nur um ein partielles Sprachproblem, sondern stellt vielmehr eine komplexe Verhaltensstörung dar, deren Therapie mit weiteren Fachdisziplinen (Kinder- und Jugendpsychologie, Familientherapie u.ä.) eng gekoppelt ist.

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