Stottern bei Kindern
Was versteht man unter Stottern?
Stottern ist eine Störung des Redeflusses. Diese kann sich in Wiederholungen von Lauten, Silben oder Wörtern, Blockierungen und Dehnungen von Lauten äußern. Hinzu kommen häufig Muskelanspannungen und Mitbewegungen des Gesichts oder Körpers. Auch Vermeidungsverhalten wie Satzabbrüche, Satzumstellungen, Abwenden des Blickkontaktes usw. sind oft zu beobachten. Dadurch wird der Sprechablauf unterbrochen. Abzugrenzen ist das Stottern von entwicklungsbedingten Sprechunflüssigkeiten, die im Kindesalter auftauchen können. Stottern ist immer sehr individuell und wird von verschiedenen Faktoren wie Personen und Situationen beeinflusst. Der Betroffene weiß immer, was er sagen möchte, ist aber nicht in der Lage, dies störungsfrei zum Ausdruck zu bringen.
Stottern - welche Symptome treten auf?
Unterschieden wird grundsätzlich in äußere, sichtbare bzw. hörbare Kernsymptome (primäre Symptome) und sekundäre Symptome, die eine Reaktion auf die primären Symptome sind sowie innere Symptome, die für den Gesprächspartner nicht direkt bemerkbar sind.
Primäre Kernsymptome:
- Wiederholungen von Lauten, Silben oder Wörtern
- Dehnung von Lauten
- stumme oder hörbare Blockaden (Verharren in einer Artikulationsposition mit erhöhter Muskelanspannung)
Sekundäre Symptome:
- Vermeidungsstrategien (das Auftreten des Stotterns soll von vornherein vermieden werden)
- Vermeidung des Blickkontaktes, der Sprechsituation, bestimmter Wörter
- Interjektionen „ähm“, „äh“, „also“
- Pausen, Abwartereaktionen
- Verwendung von häufigen Redefloskeln „Ich sag mal so“
- Satzumstellungen und Wortaustauschungen (schwierige Wörter werden umgangen, indem Sätze umgestellt oder verändert und Wörter gegen andere ausgetauscht werden)
- Starthilfen (Laute, Floskeln, Füllwörter werden regelmäßig eingesetzt um in das flüssige Sprechen leichter hineinzukommen, „ja also“)
- Fluchtverhalten (die auftretenden Stottersymptome sollen beendet werden)
- Anstrengung, Pressen
- erhöhter Muskeltonus
- erhöhter Atemdruck
- Mimische Mitbewegungen (z.B. Augen zukneifen, Mund verziehen usw.)
- Gesamtkörperliche Mitbewegungen ( Kopfnicken, mit dem Fuß aufstampfen, Arm- oder Handbewegungen)
- Muskelanspannung
Innere Symptome:
- negative Gefühle, Gedanken und Einstellungen gegenüber dem Sprechen
- Angst, Scham, Verlegenheit
- Minderwertigkeitsgefühle
- Frustration und Aggressionen
- Depressionen als Folge negativer Erfahrungen und Reaktionen auf das Stottern
Was sind die Ursachen für das Stottern?
Die Ursachen des Stotterns sind bis heute nicht bekannt und ausreichend erforscht. Es gibt nur Vermutungen und verschiedene Theorien, die nicht eindeutig wissenschaftlich belegt sind.
Laienerklärungen wie, Stotterer denken schneller, als die reden können, Kinder ahmen stotternde Menschen nach oder wollen Aufmerksamkeit erzielen, sind jedoch absolut unzutreffend!
Vermutlich haben die meisten Stotterer eine genetische Veranlagung zum Stottern, hinzukommen dann auslösende und aufrechterhaltende Faktoren. Man geht von einer Vielzahl von Einflüssen aus dem körperlichen, seelischen, sprachlichen und umweltbedingten Bereich des Kindes bei der Entstehung des Stotterns aus.
Auslösende Faktoren:
Es können sehr unterschiedliche Faktoren das Stottern auslösen und meist ist es eine Vielzahl verschiedener Auslöser und selten ein Ereignis allein. Jedoch sind diese nicht der Grund für das Stottern!
- Veränderung der Lebensumstände: Beginn des Kindergartens, Geburt eines Geschwisterkindes, Krankenhausaufenthalte, Streit in der Familie, Trennung der Eltern uvm.
- Traumata
Aufrechterhaltende Faktoren:
- Reaktionen der Umgebung
- Reaktionen des Stotternden selbst (z.B. Angst vor dem Stottern und daraus resultierendes Vermeidungsverhalten)
- überfordernde Alltagssituationen
- ungünstige Kommuniktionsbedingungen
- Probleme in der Sprachentwicklung
Chronifizierende Faktoren:
- Dauer und Verlauf des Stotterns
- Art der Symptomatik
- Reaktionen des Kindes und Einstellung der Eltern zum Stottern
- Sprachentwicklung
- familiäre Belastung
In welchem Alter beginnt das Stottern?
Das Stottern tritt frühestens mit Beginn der Zweitwortäußerungen mit ca. 2 Jahren auf. Meist beginnt es im Kindergartenalter zwischen 3 und 6 Jahren spätestens mit 12 Jahren. In diesem Zeitraum entwickelt sich bei 5 % der Kinder Stottern. Davon verliert aber mehr als die Hälfte (zwischen 60 – 80 %) das Stottern wieder. So bleibt nur noch 1 % der Erwachsenen die stottern übrig. Dabei stottern mehr Männer als Frauen.
Der Verlauf des Stotterns ist ganz unterschiedlich. Meist unterliegt er phasenweise Schwankungen, die von Situationen, Gesprächspartnern, der psychischen und emotionalen Verfassung abhängig sind. So kann das Stottern mal mehr und mal weniger werden oder auch zeitweise ganz ohne Symptome verlaufen.
Welche Formen des Stotterns gibt es?
Beginnendes Stottern:
Zu Beginn treten lockere Laut- und Silbenwiederholungen sowie Dehnungen von Lauten auf. Es gibt zwischendurch noch viele symptomfreie Phasen und die betroffenen Kinder haben noch kein Störungsbewusstsein entwickelt.
Chronisches Stottern
Das chronische Stottern entwickelt sich über viele Jahre aus dem beginnenden Stottern. Es kommt zu stärkerer und häufigerer Symptomatik. Die störungsfreien Phasen werden immer weniger oder verschwinden ganz. Überwiegend äußert es sich in Blockierungen („Steckenbleiben“) und Lautwiederholungen mit vermehrter Muskelanspannung. Hinzukommen Sekundärsymptome wie Mitbewegungen und erhöhter Tonus. Ängste, Vermeidungsverhalten und psychische Belastung gehen mit zunehmendem Stottern einher.
Wann ist eine Stottertherapie notwendig?
In vielen Fällen verlieren die Kinder das beginnende Stottern von alleine wieder (Spontanremission). Da man jedoch vorher nicht wissen kann, bei welchen der Kindern das Stottern bleibt, ist eine logopädische Beratung, Abklärung und ggf. Stottertherapie notwendig, wenn das Kind unter seinem Sprechen leidet, also ein Störungsbewusstsein entwickelt, Zeichen von Anstrengung und Vermeidung sichtbar werden oder die Eltern verunsichert sind.
Wie sieht die logopädische Stottertherapie aus?
Zunächst muss ganz klar gesagt werden, dass Stottern nicht heilbar ist. Jedoch bietet eine logopädische Behandlung einen besseren Umgang mit den Symptomen und diese zu reduzieren. Angst und Vermeidungsverhalten sollen durch die Therapie abgebaut und das Selbstbewusstsein gestärkt werden. Der Betroffene erhält die Möglichkeit sein Sprechen willkürlich zu beeinflussen und das Stottern zu akzeptieren.
Es gibt zahlreiche Vorgehensweisen in der Behandlung des Stotterns. Diese lassen sich grob unterteilen in zwei Therapierichtungen:
- Verfahren, die das Stottern und dem Umgang damit verändern
Modifikationsansatz in der Logopädie
Hier lernen die Patienten selbstbewusst mit ihrem Stottern umzugehen und direkt in die Symptomatik einzugreifen. Es wird ein offener Umgang mit dem Thema Stottern angestrebt und bestehende Sprechängste abgebaut. Der Patient lernt zu merken, wann ein Stotterereignis auftreten könnte und wie es vorher abgehalten werden kann. Es werden Techniken erlernt, mit denen sich der Betroffene aus einer Blockierung befreien kann.
- Verfahren, die das gesamte Sprechen verändern
Fluency Shaping in der logopädie
Hierbei wird eine ganz neue Sprechweise erlernt, die verhindern soll, dass Stottersymptome auftreten. Dies kann beispielsweise durch verlangsamtes Sprechen, weiche Stimmeinsätze oder veränderte Atmung erfolgen. Das Ziel ist dabei flüssiges Sprechen. Dazu ist ein intensives Training der neu erlernten Sprechtechniken notwendig und die konsequente Umsetzung im Alltag, damit es nicht zu Rückfällen kommt.